Wie schon erwähnt, kann die Cutup-Methode auch auf den Film ausgeweitet werden. |
"Man könnte sich vorstellen:
Jemand [...] hat in aller Unverschämtheit heimlich einen Film von Dir aufgenommen,
und Du wirst nun gezwungen, ihn Dir anzuschauen. Der Operateur lässt den Film
einmal schneller, einmal langsamer laufen, einmal vorwärts, dann wieder rückwärts,
was besonders erniedrigend ist. Du wirst einfach beiseite gestellt. Gefühl der
Ohnmacht. Dazwischen wird der Film angehalten und die Takes und Sequenzen neu
zusammengesetzt, in einer anderen Reihenfolge. Bist Du das noch ? Keine Peinlichkeit
wird Dir erspart. Während der ganzen Zeit sind die Bilder da, sie prägen sich
ein, auf eine schmerzhafte Art. Die Augen sind aufgerissen oder werden gewaltsam
offen gehalten. Du musst den Film über Dich ergehen lassen - Ohne dass Du in
den Ablauf eingreifen kannst - Die Zeitprojektoren zerlegen Dein Leben in auswechselbare
Einheiten, über die der Filmoperateur nach Belieben verfügt. Wäre das nicht
eine Form von Beeinflussung, Manipulation, Terror ? Statt des Lebens dessen
Abbild. [...] Die [Bilder und] Worte explodieren, oder eigentlich implodieren sie. Das Ende wird nicht apokalyptisch sein, sondern banal, ordinär, schäbig - Na, endlich. Hat aber ein bisschen lange gedauert." (aus: Aurel Schmidt: "William S. Burroughs als Schriftsteller und als Maler", abgedruckt in: William s. Burroughs, Katalog zur Ausstellung William S. Burroughs' in der Galerie Carzaniga & Uecker, Basel 1991, S. 1) |
Die Fold In- und später
Cut Up-Methode waren für Burroughs Möglichkeiten, die Grausamkeit der Manipulation
durch die Wörter, ihre Eigenschaften der Beeinflussung und Konditionierung und
ihre Tiefenstruktur, beispielhaft eindringlich vorzuführen. Es entstehen unerwartete
Kombinationen und Assoziationen, die mit einem Mal etwas Neues bedeuten - Eine
andere Realität - Wir kennen sie nicht, aber wir können ihre Existenz nicht
abstreiten - die Entwicklung neigt ebenso zum Guten wie zum Entsetzlichen -
Oder Fatalen - die Manipulation wäre unter dieser Voraussetzung allerdings auch
zugleich eine Perspektive der Befreiung, da man nun weiß, woran man ist. Burroughs sah in der Umkonditionierung des Menschen durch das Cutup und seine fremdartige Realitätsstruktur auch eine Möglichkeit, den Menschen ganz zu dekonditionieren. Das Cutup der Worte und Bilder, das Umstellen der Werte, sollte also einfach nur einen übergang zu einer im positiven Wertsinne wertfreien Gesellschaft darstellen. Werte können ja bekanntlich durchaus diktatorisch gegen den Menschen verwandt werden. Wer erst einmal erkannt hat, wie subjektiv das Empfinden der Werte und Realitäten ist, kann auch ohne diese, also auch ohne Zeichen wie Worte oder Bilder, die diese ausdrücken, leben. Lasst das Stillevirus frei....Durchbruch in den Grauen Raum. "Meine Funktion als Schriftsteller ist die eines Kartographen und Erforschers neuer Bewusstseinslagen, oder - in den Worten Alexander Trocchis - eines "Kosmonauten des inneren Raums", und ich sehe keinen Nutzen in der Beschäftigung mit Gebieten, die bereits vermessen und abgegrast sind. [...] Es handelt sich bei der Cutup Methode um nichts weiter als um ein formales Mittel, das von manchen Autoren mit Gewinn angewandt werden wird, von anderen nicht - In jedem Fall sollte das eine Frage des Experimentierens sein und kein Anlass zu philosophischen oder ästhetischen Streitgesprächen. [...] Die Zukunft der schriftstellerischen Tätigkeit liegt nicht in der Orientierung an der Zeit, sondern im Vorstoss in den Raum." (William S. Burroughs auf dem Schriftstellerkongress in Edinburgh, 1962 aus: Carl Weissner (Hg.): Cut Up, Melzer Verlag, Darmstadt 1969, S. 19ff) |